Trau dich – und sing!

Bernadette & Friends21. Januar 2025

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„Ich bin froh, dass ich jetzt hier bin.“ Diesen Satz höre ich öfter, von Gesangsschülern, die zum ersten Mal bei mir im Studio sind. Viele meiner Probeschüler sind getrieben von einem tiefen inneren Wunsch, zu singen, aber es fehlt ihnen der Mut.

Wenn sie den ersten Schritt endlich gemacht haben, sind sie beglückt und blühen auf. Warum ist es für viele so schwer, mit dem Singen anzufangen? Und was kann da helfen?

Angst vor Bewertung

Kommen Gesangsanfänger ins Erzählen, kehrt eines immer wieder: die Angst vor Bewertung. Sie befürchten, dass ihre Stimme für andere komisch klingt und sie deswegen kritisiert oder ausgelacht werden. Dabei ist das gar nichts Reales, sondern – was? Eine Art vorweggenommene Scham? Kopfkino, so übermächtig, dass viele gar nicht erst anfangen, das eigene gesangliche Potenzial zu erkunden. Sie geben auf, bevor sie überhaupt angefangen haben.

Was steckt dahinter? Bei meinen Nachfragen höre ich oft: „Als Kind wurde mir gesagt, dass ich nicht gut singen kann“, oder: „Ich wurde im Musikunterricht aussortiert.“ Schon ein einziges negatives Urteil kann eine niederschmetternde und bleibende Wirkung hinterlassen. Dazu gehören auch Urteile wie: „Du hast kein Talent“, oder „Du bist unmusikalisch“. Studien zeigen: Wer früh einmal so abgestempelt wurde, neigt später eher dazu, an seinen musikalischen Fähigkeiten zu zweifeln – und es gar nicht mehr mit Singen zu versuchen.

Vielen ist gar nicht bewusst, welche Ungerechtigkeit in dieser Bewertungsweise steckt. Wenn ein Kind Schwierigkeiten beim Lesen oder Schreiben hat, sagen wir in der Regel nicht: „Du hast kein Talent dafür, lass es bleiben!“ Stattdessen unterstützen wir das Kind und zeigen ihm, wie es geht. Beim Gesang hingegen gibt es die gesellschaftliche Neigung zum Aburteilen. Ja, Singen erfordert, Töne zu treffen und Melodien folgen zu können, doch das kann man lernen – besonders als Kind.

Wenn ich Eltern berate, die Gesangsunterricht für ihre Kinder buchen wollen, empfehle ich Kinderchöre. Diese bieten eine angenehme, spielerische Atmosphäre, in der Kinder unbeschwert Singen lernen können. Viele große Stars haben ihre gesangliche Laufbahn in kirchlichen Gemeinschaften begonnen, wo gemeinsam gesungen wird.

Fixed Mindset

Falls diese positiven Erfahrungen fehlen, wird es später schwierig. Bei vielen Menschen sind die frühen Negativ-Urteile über die Jahre zu festen Glaubenssätzen geworden. Sie glauben, dass sie kein Gesangstalent haben, ein für alle Mal. Klar, dass es dann zwecklos ist, an den eigenen Gesangsfähigkeiten zu arbeiten, bei aller Begeisterung. In der Psychologie ist diese Einstellung als „fixed mindset“ bekannt. Sie hindert Menschen daran, Neues zu wagen, sich auszuprobieren – und eben auch, sich weiterzuentwickeln.

Kleiner Selbst-Check: Hast Du das auch schon öfter gemacht, nach einer angesungenen Melodie reflexartig einen Kommentar hinterhergeschoben, wie: „das war nicht gut“ oder „ich kann das nicht“ – so als wolltest Du der Kritik des Zuhörenden zuvorkommen? Wenn ja, und Du merkst, das ist ein Muster bei Dir, dann steckst Du in diesem „fixed mindset“ fest.

Tipp: Fehler machen

Aber es gibt eine gute Nachricht: Du selbst kannst Dich daraus befreien. Einige der größten Stars, wie Ed Sheeran oder Adele, haben es vorgemacht. Zwar ist das selten ein einziger großer Befreiungsschlag. Aber es beginnt mit einer Änderung Deiner Einstellung.

Adele zum Beispiel brauchte viel Zeit, um zu erkennen, wie wichtig es ist, eigene Fehler und Unvollkommenheiten anzuerkennen und gutzuheißen. „Fehler machen“, „unvollkommen sein“ nicht als Angstfaktor, sondern als etwas Gutes, Begrüßenswertes? Das ist für viele eine völlige Umkehrung ihrer Denkweise, die immer auf Fertiges und Perfektion ausgerichtet ist.

Diese Umkehr der Einstellung zu eigenen Fehlern und Unzulänglichkeiten hat einen riesen Vorteil gegenüber der fehlerfeindlichen Haltung der Vorsicht, der Absicherung und des Perfektionismus. Sie räumt die größte Barriere im Kopf beiseite, die den Zugang zu einem „Weg persönlichen Wachstums“ versperrt. Mit anderen Worten: Die positive Einstellung zum Fehler-Machen ist ein „growth mindset“, das aus der lähmenden Fixierung auf eigene Begrenzungen befreit.

Ideale und Vergleiche

Ein weiterer Grund, warum viele Menschen Angst haben, mit dem Singen zu beginnen, ist der Druck, einem bestimmten Idealbild zu entsprechen. Oft glauben sie, nicht gut genug zu sein, oder dass ihre eigene Stimme nicht mit den schönen Stimmen mithalten könne, die sie bei Stars hören.

Diese Vergleiche führen dazu, dass gesanglich Begabte ihr ureigenes Talent gar nicht erst entdecken und fördern. Die Folge: Da sie nicht singen, können sie die Muskulatur, die zum Singen nötig ist, nicht entwickeln und ihr Gehör nicht schulen. Es entsteht ein Teufelskreis: Ohne Übung gibt es keine gesanglichen Fortschritte, die Stimme verkümmert und der Anfang wird immer schwerer.

Tipp: von den „unfertigen“ Stars lernen

Nimm doch einmal die Stars unter die Lupe, die Deinen Standard für guten Gesang verkörpern. Schau diesmal aber nicht auf die schon „fertigen“ Stars, sondern darauf, wie sie am Anfang waren, noch „unfertig“, als Anfänger. Es ist nicht nur unterhaltsam, sondern kann auch lehrreich sein, zu erfahren, wie die späteren Stars mit ihren stimmlichen Unzulänglichkeiten umgegangen sind oder mit ihren Anfängerfehlern. Mit ein wenig detektivischem Spürsinn findest Du im Internet heraus, was Deinen Vorbildern geholfen hat, ihre ersten Schritte in Richtung Bühne zu gehen.

Gemeinsam Singen

Deine eigenen ersten Schritte zu gehen wird Dir leichter fallen, wenn Du sie gemeinsam mit anderen gehst. In einem Chor triffst Du auf andere Gesangsbegeisterte, die sich beim Singen gegenseitig unterstützen und ermutigen. Das ist ein niedrigschwelliger Einstieg ins Singen, der gleich mehrere Vorteile bietet:

Du singst, ohne dass Deine Stimme in den Vordergrund tritt (wie bei einem Solo). Außerdem lernst Du beim gemeinsamen Einsingen schon erste Stimmübungen kennen. Vor allem aber findest Du in einem guten Chor, was für viele wohltuend und heilsam ist, die mit Hemmnissen zu kämpfen haben: Du singst in einer Atmosphäre gegenseitiger Wertschätzung.

Wenn Du die Songs und Übungen mit nach Hause nimmst, dann nimm auch diese positive Atmosphäre gleich mit. Schaffe Dir selbst ein unterstützendes Umfeld, von dem Du positives Feedback bekommst. Du könntest ein kleines Gesangs-Ensemble gründen, indem Du andere ansprichst, mit denen Du gerne singst. Oder Du gehst zu einem Open-Stage- oder zu einem Karaoke-Abend und kommst mit Hobbysängerinnen oder Musikern ins Gespräch, die auch noch am Anfang stehen, genau wie Du.

In der Neuen Zürcher Zeitung ist im Januar 2025 ein Artikel erschienen, in dem eine Schülerin von mir über ihre Startschwierigkeiten mit dem Singen schreibt, von ihren Durststrecken – und von ihrem Durchbruch.

Übungen für den Aufbau Deiner Stimme findest Du in meinen Onlinekursen. Schau gern in mein Kursangebot rein: https://singasong-behappy.de/online-gesangsunterricht/

Sing A Song – Be Happy

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