Singen begeistert. Nicht nur das Publikum beim Zuhören. Auch der Vollbesitz der eigenen Stimme, die Lebendigkeit, der Ausdruck von Gefühlen beim Singen schafft Begeisterung. Wer das für sich entdeckt hat, will in der ersten Zeit gar nicht mehr aufhören, zu singen.
Beim vielen Proben zu Hause oder mit der eigenen Band überanstrengen dann viele ihre Stimme und werden heiser. Und bei manchen, die regelmäßig am Anschlag singen, geht die Angst um: Könnte ich Knötchen auf den Stimmbändern bekommen? Denn sie haben schon mal gehört: Menschen, die ständig heiser sind oder einen rauen Stimmklang haben, könnten Stimmbandknötchen haben.
Auch meine Gesangsschüler stellen mir oft Fragen zu diesem Thema. Deswegen möchten wir Dir in diesem Blog-Artikel ein paar hilfreiche Infos dazu mit auf den Weg geben, was Knötchen auf den Stimmbändern sind und was Du tun kannst, um sie zu vermeiden.
Stimmbandknötchen: Was ist das?
Stimmbandknötchen oder „Sängerknötchen“ sind Ablagerungen am inneren Rand unserer Stimmlippen. Sie entstehen durch eine dauerhafte Überlastung der Stimmbänder. Dabei schwellen die Stimmlippen an. Wenn sich die Schwellungen nicht mehr zurückbilden können, verhärten sie und bilden die berüchtigten „Knötchen“ (im Bild rot markiert).
Auch wenn die Knötchen schon da sind, ist nicht alles zu spät. Mithilfe einer geeigneten Stimmtherapie und der richtigen Gesangstechnik können sich die Knötchen wieder zurückbilden. Nur selten müssen sie operativ entfernt werden. Damit es gar nicht so weit kommt, stellt sich die Frage, was wir als Sängerinnen und Sänger vorbeugend tun können.
Mediziner sehen die Stimmbandknötchen häufig zuerst bei schreienden Babys oder Kleinkindern. Deshalb nennen sie die Knötchen auch „Schreiknötchen“, und damit ist schon eine Ursache benannt. Ständiges Schreien oder lautes Sprechen mit rauer Stimme kann auch später noch bei Erwachsenen zu Knötchen führen. Auch für Sänger kann das, je nach Genre, zu einem Problem werden. In der Rock- und Metal-Musik zum Beispiel ist das Schreien („Yelling“), Knurren (der „Growl“) oder Singen mit rauer Stimme (der „Gravel Sound“) ein häufig genutztes Ausdrucksmittel.
Bist Du Rocksängerin, wirst Du auf Schreitechniken oder einen rauen Stimmsound nicht verzichten wollen – und das Tolle ist: Das musst Du auch nicht, um Sängerknötchen zu vermeiden. Worauf es dann ankommt, ist: jeden unnötigen Druck von Deinen Stimmbändern zu nehmen, am besten mit Unterstützung durch eine Gesangslehrerin.
Singen mit Druck: Einengung der Stimmbänder
Sängerknötchen entstehen häufig durch zu viel Druck beim Singen – mit oder ohne Schreien. Sehen wir uns einmal den Aufbau unseres Kehlkopfes an, um das besser zu verstehen. Direkt über unseren Stimmbändern befinden sich taschenähnliche Aushöhlungen („Morgagnische Ventrikel“ genannt). Die Oberseite dieser Ventrikel bilden zwei kräftige Schleimhautfalten, die Taschenbänder.
Auch die Taschenbänder können sich zusammenziehen und schließen. Beim Luft Anhalten zum Beispiel oder beim Husten presst Du Deine Taschenbänder zusammen. Du kannst mit ihnen sogar Töne produzieren, besser gesagt: herauspressen (dazu später mehr), deshalb werden sie auch manchmal „falsche Stimmbänder“ genannt. Beim Singen dagegen ziehen sich die Taschenbänder zurück und öffnen den Raum oberhalb der Stimmbänder.
Der Raum in den Ventrikeln trägt zur Klangfülle der Stimme bei. Wird der Raum über den Stimmbändern verengt, klingt der Ton eng und gequetscht. Das kann passieren, wenn Du beim Singen hoher Töne den Kehlkopf hochdrückst. Oder wenn Du mit zu viel Luftdruck singst. Sehen wir uns genauer an, was im Kehlkopfraum geschieht, wenn man mit zu viel Druck singt.
Um ihre Töne in der Höhe zu verstärken, pressen viele Amateur-Sänger die Luft nach oben, mit viel Muskeldruck aus dem Bauch. So staut sich die Luft unter den geschlossenen Stimmbändern und drückt die Stimmbänder nach oben. Dabei kann der Raum der Ventrikel darüber so eng werden, dass die Stimmbänder beim Singen direkt an den Taschenbändern reiben:
Das dämpft die Stimmbänder ab, die nicht mehr frei schwingen können. Die Stimmlippen entzünden sich, und längerfristig kann das zu Schäden führen wie den berüchtigten Knötchen, oder auch Stimmbandpolypen oder -zysten.
Entlastung: Atemtechnik und Stütze
Um unnötigen Luftdruck zu vermeiden, kommt es auf die richtige Atemtechnik und Stütze an. Physikalisch gesehen, sind unsere Stimmbänder „luftgetriebene Oszillatoren“, sie werden vom Druck der Luft in Schwingung versetzt. Ganz falsch aber ist es, beim Stützen der Töne bewusst Druck von unten zu erzeugen – manche missverstehen die Stütze beim Singen als eine Art Bauchpresse und erzeugen so den schädigenden Überdruck.
Denk stattdessen lieber an Unterdruck: Beim kurzen Einatmen vor dem Singen mithilfe Deines Zwerchfells erzeugst Du einen Unterdruck, der die benötigte Luft in Deine Lungen zieht. Beim Aussingen Deines Tons oder Deiner Phrase behältst Du diese Weitung in Deinen Flanken bei. „Stütze“ bedeutet nichts anderes, als beim Singen Deine Einatmungshaltung beizubehalten, vor allem über Deine Zwischenrippenmuskulatur.
Achte bei Deiner Atemtechnik auf drei Dinge, um Druck von Deinen Stimmbändern zu nehmen:
- eine aufrechte Körperhaltung, im Lot (wie eine Marionette am Faden),
- kurzes, lautloses Einatmen, über den Zwerchfell-Impuls (wie vor dem überraschten Ausruf: „Oh mein Gott!“),
- und beim Singen die Einatmungshaltung aufrechterhalten (Flankenmuskulatur).
Immer am Anschlag singen: Überlastung der Stimme versus Timing
Manche Gesangsbegeisterte überlasten ihre Stimme auch, wenn sie zum ersten Mal das sogenannte „Belting“ für sich entdeckt haben. Das Singen mit voller Stimme in hoher Lage, am Anschlag, fühlt sich toll an, kraftvoll, elektrisierend. In der Rock- und Popmusik wollen wir das hören, aber es ist auch fordernd, gerade für die noch ungeübte Stimme.
Stell Dir vor, Deine Hände sind Deine Stimmbänder. Singst Du kräftige Töne in Sprechstimmlage, wie beim lauten Sprechen, ist das wie ein langsames, kräftiges Klatschen in Deine Hände. Hohe Töne mit derselben, kräftigen Sprechstimmqualität zu singen, also zu „belten“, das ist so, wie wenn Du genauso kräftig, nun aber so schnell Du kannst in die Hände klatscht.
Du spürst schnell, was passiert: Deine Hände werden heiß und rot. Machst Du weiter, schwellen sie an. Dasselbe geschieht mit Deinen Stimmlippen, wenn Du vor lauter Begeisterung gar nicht mehr aufhörst, zu belten. Das ist tricky, weil wir unsere Stimmlippen nicht direkt spüren können. Wir merken erst etwas, wenn wir heiser werden oder Halsschmerzen bekommen.
Die Lösung ist auch hier: gute Technik und mäßige Belastung. Die Stimme besteht aus Muskeln, Bindegewebe und Knorpeln. Wie alle Muskeln des Körpers muss sie durch Training an höhere Belastungen gewöhnt werden. Trainiere sie wie ein Sportler, mit schrittweiser Belastungssteigerung und genügend Regenerationszeit. Mach daher zuerst eher kurze Belting-Übungen, mit Anwendung auf ausgewählte Song-Passagen. Dann ein, zwei Tage Pause mit Belting, dafür andere Übungen für Deine Artikulation oder für Deine stimmliche Ausdauer.
Schreitechniken als Effekt
Kommen wir noch einmal auf das Schreien, Knurren und Singen mit rauer Stimme zurück. Schreien ohne Schreiknötchen: Ja, das geht, auch auf lange Sicht. „Skillful Yelling“ mit möglichst geringer stimmlicher Belastung ist eine Technik, die man erlernen kann.
Da ist zum Beispiel der „Vocal Fry“, eine Schreitechnik, die wir im Metal-Gesang häufig hören. Obwohl sich die Stimme im Metal-Gesang wie Schreien anhört, beruht das Singen mit dem Vocal Fry nur auf einem leisen Knarren der Stimme, in extremer elektronischer Verstärkung. Das sind aneinander gereihte einzelne „Glottisschläge“ – das Knacken, das Du hörst, wenn Du mit Deiner Stimme bis an die untere Grenze Deines Tonumfangs gehst. Der Vocal Fry ist daher keine nennenswerte Belastung für Deine Stimme. Kleiner Tipp: Du kannst ihn sogar zur Entspannung Deiner Stimmbänder nutzen am Ende Deiner Übungssessions.
Mit volltönender Stimme verzerrt oder rau zu singen, ist dagegen eine echte Belastung für die Stimmbänder. Wie Sängerinnen und Sänger diesen rauen Ton (den „Gravel Sound“) erzeugen, ist nicht genau geklärt und wohl auch unterschiedlich, je nach stimmanatomischen Voraussetzungen. Vermutet wird, dass es kontrollierte Einschnürungen oberhalb der Stimmbänder sind, zum Beispiel durch die Mandeln, die den gesungenen Ton verzerren.
Beim Knurren („Growl“) oder dem sogenannten „Louis Armstrong Sound“ werden die Taschenbänder zur Verzerrung der Töne eingesetzt. Im New Orleans Jazz zum Beispiel hören wir Jazz-Sänger manchmal mit diesem Sound singen. Das Singen mit den Taschenbändern kann ein toller Effekt sein, sollte jedoch, wie auch das Singen mit rauer Stimme, nicht zu einer dauerhaften Gesangsgewohnheit werden. Wie oben schon erklärt, engen gerade diese „falschen Stimmbänder“ die echten Stimmbänder beim Singen ein, wenn sie nicht geöffnet bleiben. Wieder kommt es auf das richtige Timing in Deiner Übungsroutine an: Gönne Deiner Stimme die Erholungszeit, die sie braucht.
Fazit
Zusammenfassend können wir festhalten: Setzt Du verzerrte Stimmsounds als Effekt ein und lässt Dich von einem Genre-sicheren Gesangslehrer dabei unterstützen, bist Du gut gewappnet. Mit der richtigen Technik, die jeden unnötigen Druck von Deinen Stimmbändern fernhält, und einer gut geplanten Übungsroutine kannst Du auch als Hardcore-Rocksänger oder -sängerin Dein Leben lang eine gesunde, kräftige Stimme behalten. Ohne je mit Stimmbandknötchen zu tun zu haben.
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