Üben ist das A und O, um gut zu werden. Für viele Gesangsanfänger stellen sich mit dem Üben aber auch ganz neue, praktische Fragen: Wie reagiert mein Nachbar, wenn ich in meiner Wohnung laut singe – oder nicht singe, sondern in immer gleichen Tonstufen rauf und runter töne? Wie regle ich das am besten, um mich abzusichern? Wie oft sollte ich eigentlich üben? Und soll ich immer die gleichen Übungen machen, oder jedes Mal andere?
Das sind Fragen, die meine Gesangsschüler mir immer wieder stellen. In diesem Blog-Artikel möchte ich Dir hilfreiche Antworten und Tipps zu diesen Fragen mit auf den Weg geben. Der Übersichtlichkeit wegen habe ich dafür ein Frage-Antwortschema nach der Art von „Frequently asked Questions“ gewählt. Fangen wir gleich mit einem der größten Hemmnisse für Gesangsanfänger an:
„Was mache ich, wenn ich mich nicht traue, zu Hause zu singen, wegen meiner Mitbewohner, Familie oder Nachbarn?“
Es ist immer befreiend, ganz offen und offensiv mit der Notwendigkeit des Übens umzugehen. Mein Tipp: Sprich vorher mit Deinen Mitbewohnern oder Nachbarn. Finde heraus, welchen Aktivitätsrhythmus Deine Nachbarn haben und was sie für ihre Ruhe brauchen. Vielleicht arbeitet Dein Nachbar im Schichtdienst, oder Deine Mitbewohnerin muss zu bestimmten Zeiten lernen. Dann kannst Du feste Übungszeiten verabreden. In den allermeisten Fällen lassen sich so, im persönlichen Gespräch vorab, einvernehmliche Lösungen finden.
Falls Du Gesangsstudentin oder schon Gesangsprofi bist, kannst Du versuchen, den Lärmpegel zu minimieren. Lärmschutzmaßnahmen wie Schallschutzplatten können viel bringen und lassen sich schon mit einfachen Mitteln improvisieren. Oder Du singst in einer schalldichten Übungskabine.
„Wann und wie lange darf ich in meiner Wohnung üben?“
Die gesetzlichen Regelungen zum Thema häusliches Musizieren und Ruhestörung können in verschiedenen Städten unterschiedlich sein, daher ist es ratsam, Dich an örtlichen Vorschriften und Richtlinien zu orientieren. Singen in der Wohnung ist tagsüber in der Regel erlaubt, da die meisten Menschen zu dieser Zeit arbeiten oder anderweitig beschäftigt sind. Nicht erlaubt ist Singen über die Zimmerlautstärke hinaus in der Mittagszeit (13 bis 15 Uhr), während der Nachtruhezeit (22.00 bis 6.00 oder 7.00 Uhr) sowie an Sonn- und Feiertagen.
Musizieren gehört zur Ausübung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und ist verfassungsrechtlich geschützt. Allerdings gibt es unterschiedliche Gerichtsurteile dazu, wie lange täglich geübt werden darf. Daher kann ich keine allgemeingültige Aussage dazu treffen, wie lange Du täglich zu Hause singen darfst. In der Regel dürften aber bis zu zwei Stunden Singen pro Tag gebilligt werden. Das klingt nach wenig, ist aber mehr als genug für Deine Gesangsübungen, wie Du weiter unten noch sehen wirst.
„Und wenn es zu Hause nicht geht?“
Manchmal geht es einfach nicht, in den vier eigenen Wänden Singen zu üben. Dann heißt es, kreativ und umtriebig sein, um andere Orte zum Singen zu finden. Hier sind meine Tipps für Alternativen:
- Mietproberaum: In vielen Städten gibt es Musikschulen, Studios oder Proberäume, die man stundenweise mieten kann, um in Ruhe zu üben.
- Gemeinschaftszentren: Oft gibt es in Gemeinschaftszentren oder Kirchenräumen kostenlose oder günstige Möglichkeiten, um zu singen und mit anderen zu üben.
- Draußen singen: Wenn das Wetter gut ist (und nicht zu kalt), kannst Du in einen ruhigen Park oder eine einsame Gegend gehen und dort singen. Stelle sicher, dass Du niemanden störst (Menschen oder Tiere).
- Karaoke-Bars und Open Stages: Besuche eine offene Bühne oder Karaoke-Bar und nutze dabei gleich die Gelegenheit, vor Publikum zu singen.Finde die beste Option für Dich und hab viel Spaß beim Singen!
„Wie kann ich das Singen Üben in meinen Alltag integrieren?“
Einige meiner Schüler und Schülerinnen üben gerne zu Hause beim Kochen, beim Abwaschen, beim Aufräumen oder Putzen. Andere lieben es, im Auto zu üben und zu singen, oder sogar auf dem Fahrrad. Es kann schwierig sein, Übungszeiten für das Singen in den Alltag zu integrieren, insbesondere wenn man einen vollen Terminkalender hat. Hier sind einige Tipps, die Dir helfen können, regelmäßig Zeit zum Üben zu finden:
- Setze Dir realistische Ziele: Beginne mit kleinen Zielen, die Du ohne viel Aufwand erreichen kannst, und arbeite Dich dann langsam nach oben. Zum Beispiel könntest Du Dir vornehmen, jeden zweiten Tag 10 Minuten zu singen, und dann die Zeit für Deine Stimmübungen allmählich auf 30 Minuten erhöhen.
- Erstelle einen festen Zeitplan: Wähle eine feste Zeit für jeden zweiten Tag aus, um regelmäßig zu üben, und schreibe Deinen Zeitplan auf. Je nach Deinem Tagesablauf kann die beste Zeit für Deine Gesangsübungen nachmittags, gegen Abend oder vormittags sein.
- Verwende Online-Reminders für Deine Übungsroutine: Richte einen Online-Kalender ein, oder einen Timer auf Deinem Smartphone, um Dich an Deine tägliche Übungszeit zu erinnern.
- Nutze Pausen in Deinen Tagesabläufen, um zu singen: Wenn Du beispielsweise eine Pause von Deiner Arbeit machst oder auf den Bus wartest, könntest Du diese Zeit nutzen, um ein paar einfache, aber effektive Gesangsübungen zu machen.
- Mache es Dir zu einer Gewohnheit: Je häufiger Du übst, desto eher werden Stimmübungen zu einer festen Gewohnheit. Betrachte Deine Übungszeit als wichtigen Teil Deines Tages, für den immer Zeit sein sollte.
Lass keine Ausreden gelten, mit denen man sich so gern herausredet, um nicht üben zu müssen. Hast Du „keine Zeit“, dann schaff Dir Zeit. Sei konsequent, wenn es darum geht, Übungszeiten für das Singen in Deinen Alltag einzubauen. Wenn Du diese Tipps befolgst, wirst Du bald immer mehr Fortschritte beim Singen machen.
„Was sollte ich beim Üben zu Hause beachten?“
Für jede Übungssession braucht es einen geeigneten Rahmen. Zum Ort, zur Übungszeit, aber auch zum Aufbau und zu den Hilfsmitteln Deiner Stimmübungen gibt es einiges zu beachten. Hier sind einige Tipps dazu von mir:
- Warm-Up: Beginne immer mit einer kurzen Aufwärmübung, um Deine Stimme zu lockern. Zum Beispiel kannst Du in mittlerer Lage ein paar Skalen singen oder summen, um Deine Stimme auf das Singen vorzubereiten.
- Atmung: Achte auf Deine Atmung, wenn Du singst. Atme über die tiefe Bauchatmung ein und stütze Deine Töne, um Deine Stimme zu stabilisieren und zu schonen.
- Haltung: Stehe oder sitze aufrecht und halte Deinen Kopf gerade (im Bild: wie an einem Marionettenfaden). Eine gute Haltung unterstützt Deine Atmung und wirkt muskulären Verspannungen beim Singen entgegen.
- Konzentration: Übe in einer ruhigen Umgebung, um Dich gut auf Deine Übungen konzentrieren zu können. Schaffe eine Umgebung mit möglichst wenigen Ablenkungen und Störungen.
- Langsamkeit und Geduld: Mit jeder neuen Übung beginne langsam und baue Deine Geschwindigkeit allmählich auf, um sicherzustellen, dass Du die Technik richtig anwendest.
- Mäßige Anstrengung: Übe eher kürzer als zu lang und taste Dich vorsichtig an Deine stimmlichen Grenzen heran. Achte auf Anzeichen von Müdigkeit oder Überanstrengung und lege gegebenenfalls eine Pause ein.
- Audio-Aufnahmen: Mach einen Mitschnitt von Deiner Stimme beim Üben, damit Du selbstständig an der Verbesserung Deiner Technik arbeiten und Deine Fortschritte hören kannst.
- Spaß: Das Wichtigste ist, dass Du beim Singen zu Hause Spaß hast und Dich nicht zu sehr unter Druck setzt. Mach Dir klar, dass Fehler dazu da sind, um aus ihnen zu lernen und besser zu werden. Genieße den Prozess des Verbesserns Deiner Fähigkeiten.
„Wie lange und wie oft sollte ich üben?“
Zeit und Häufigkeit Deiner Übungssessions hängen von verschiedenen Faktoren ab. Unter anderem davon, wie erfahren Du schon bist (Hobbysängerin oder Professional?), welche Ziele Du hast (als Singer-Songwriter auftreten oder für ein Musical gebucht werden?) und natürlich davon, wie viel Zeit Du hast. In jedem Fall aber ist es empfehlenswert, regelmäßigen, kurzen Übungseinheiten den Vorzug zu geben vor unregelmäßigen, exzessiven Sessions, die über Stunden gehen.
Vor lauter Begeisterung üben viele am Anfang zu lange auf einmal. Sie riskieren dann, ihre Stimme durch die ungewohnte, hohe Belastung zu schädigen. Falls Du bei Gesangsübungen unangenehme Empfindungen hast, ein Kratzen im Hals oder sonstige Beschwerden, dann mach eine Pause, überdenke die Übungen und verkürze Deine Übungszeit. Ganz besonders, wenn Du erkältet bist oder Dich noch von einer Atemwegsinfektion erholst.
Eine richtig getimte Balance zwischen Übung und Erholung ist der Schlüssel für eine gesunde und nachhaltige Stimmentwicklung. Denn erst nach dem Üben, in der Erholungsphase, baut sich Deine Stimm-Muskulatur auf.
Eine gute Faustregel für Anfänger ist, jeden zweiten Tag ca. 15 bis 30 Minuten zu üben. Nach einer Eingewöhnungszeit kannst Du das Üben dann auf täglich 15-30 Minuten ausweiten. Solltest Du wenig Zeit am Stück zum Üben haben, ist es sinnvoll, Deine Übungszeit in kleinere Einheiten zu unterteilen, beispielsweise in 10- oder 15-minütige Blöcke während des Tages.
Fortgeschrittene Sängerinnen und Sänger können ihre Übungszeit allmählich auf ein bis maximal zwei Stunden pro Tag erhöhen. Sie folgen jedoch nicht jeden Tag derselben Übungsroutine, sondern setzen unterschiedliche Schwerpunkte, je nachdem, worauf sie sich gesanglich vorbereiten.
„Wie baue ich meine Übungssession auf, und welche Übungen mache ich?“
Als Gesangsanfänger ist es üblich, erstmal immer die gleichen Übungen zu wiederholen. Übungen zur Atmung und Stütze, Vokal- und Konsonantenübungen, Übungen zur Verbindung von Brust- und Kopfstimme oder zur Erweiterung des Stimmumfangs: Die Grundübungen können in der Anfangsphase immer und unverändert wiederholt werden. Das schafft und sichert die neuromuskulären Bahnen, die für das Singen in Höhe und Tiefe so wichtig sind.
Nach den ersten Monaten des Aufbaus sollte die Übungsroutine dann erweitert und abwechslungsreicher gestaltet werden. Viele Fortgeschrittene oder Professionals gliedern ihre Übungsroutine, indem sie jeden Tag andere stimmliche Anforderungen trainieren. Instruktiv ist hier der Vergleich mit dem sogenannten „Split-Training“ im Kraftsport.
So, wie ein fortgeschrittener Kraftsportler nicht jedes Mal den ganzen Körper trainiert, sondern sein Training über die Woche nach Muskelgruppen unterteilt, so „splitten“ auch erfahrene Sängerinnen und Sänger ihr Training auf. Nach ihrem täglichen Warm-Up und ein paar Wiederholungsübungen setzen sie unterschiedliche Schwerpunkte: An unterschiedlichen Wochentagen legen sie den Fokus zum Beispiel auf:
- Konsonanten-Übungen + Songarbeit,
- Kopfstimme und Registerübergänge + Songarbeit,
- Rhythmus-Übungen + Songarbeit,
- stimmliche Ausdauer + Songs (längere Übungseinheit),
- Belting-Übungen + Arbeit an hohen Songpassagen (kurz und intensiv),
- Atem und Stütze + Songarbeit,
und machen dann einen Tag Stimmpause.
Die unterschiedlichsten Kombinationen aus Übungen sind hier im Wochenrhythmus machbar. Sie machen das Stimmtraining auch für Sängerinnen und Sänger abwechslungsreich, die schon viele Jahre aktiv sind. Der Hauptvorteil im Aufsplitten der Stimmübungen besteht darin, dass jede Funktion des komplizierten Muskel-, Knorpel- und Sehnenapparats der Stimme genug Zeit zur Erholung hat – trotz täglich stundenlangem Training.
Machst Du zum Beispiel Belting-Übungen, dann braucht Dein Stimm-Muskel ein paar Tage Zeit, um sich zu erholen und stärker zu werden für Dein Singen mit voller Stimme in hohen Lagen. In den Tagen dazwischen kannst Du trotzdem Deine Tonstütze oder Deine Zungenmuskulatur mit Konsonanten-Übungen trainieren. Oder Kopfstimm-Übungen machen für Deine Kehlkopf-Kippmuskulatur. So erzielst Du für jede muskuläre Komponente Deines Stimmorgans eine gute Aufbaukurve (wie oben in der Grafik gezeigt).
Die letzte Phase Deiner Trainingssession sollte für Deine Songarbeit vorgesehen sein. Und am Ende der Session hilft Dir ein stimmliches Cool Down dabei, Deine Stimm-Muskulatur wieder zu entspannen und zur Ruhe zu kommen.
Fazit
Jede Stimme ist verschieden, auch die beste Tageszeit zum Üben kann bei jedem unterschiedlich sein. Finde Übungszeiten für Dich, die gut zu Deinem Energielevel über den Tag passen und treffe die nötigen Absprachen mit Deinem Umfeld. Erhöhe Deine Übungszeit im Laufe der Zeit, um Deine stimmlichen Fähigkeiten Schritt für Schritt zu verbessern.
Beachte bei allem, dass die Qualität Deines Übens wichtiger ist als die Quantität. Statt auf die bloße Anzahl der Stunden zu achten, setze Dir kleine, wohlbestimmte Ziele und konzentriere Dich ganz auf die Verbesserung Deiner Technik. Eine abwechslungsreiche Übungsroutine mit wiederkehrenden Stimmübungen und ausreichenden Pausenzeiten ist die beste Garantie für stetige Fortschritte. Und für den Spaß am Singen.
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