Der Vocal Fry beim Sprechen
Der krächzende, kieselige Klang des „Vocal Fry“ war vor einiger Zeit Gegenstand vieler Online-Diskussionen. Gekränkte Radiohörer und Fernsehzuschauer vereinten sich in den sozialen Medien, um ihre Verachtung für Prominente und Nachrichtenreporter zu zeigen, die ihn verwenden. Andere hingegen finden ihn sexy. Dabei wird der Vocal Fry beim Sprechen schon seit Langem eingesetzt. Durch Celebrities wie Kim Kardashian ist er nun auch ins Bewusstsein der Massen gerückt.
Der Vocal Fry ist wie diese tiefe, krächzende Stimme, die man hat, wenn man krank ist. Es tritt auf, wenn Du in Dein tiefstes Register fällst und unter 70 Hertz sprichst. Dabei strömt nicht genug Luft durch Deine Stimmbänder, um regelmäßige Glottal-Vibrationen aufrechtzuerhalten. So werden die Töne „gebraten“.
Du hast es bestimmt schon mal probiert: Was passiert, wenn Du mit einem Ton in der Sprechstimmlage immer weiter nach unten absteigst, in einer Tonleiter oder einfach abwärts gleitend? Du kommst an eine Grenze, es ist das untere Ende deiner Bruststimme. Und jenseits dieser Grenze? Gehst du ganz nach unten, bis du nicht mehr tiefer kommst, hörst du schließlich eine Art Knacken oder Knarren. Das sind aneinander gereihte „Glottisschläge“, jeder von ihnen ein einzelner Verschluss Deiner Stimmbänder.
1998 hat Britney Spears in „Baby One More Time“ fast jede Zeile durchgebraten. In jüngerer Zeit ist der Vocal Fry jedoch der bevorzugte Sound der Kardashians. Wenn die Kardashians die Qeens of Fry sind, dann ist Lil Wayne der King of Fry.
Vom „Knarren“ zum Singen
Was da physiologisch geschieht, ist gar nicht so anders als bei der Tongebung in unserer vertrauten Brust-, Mittel- oder Kopfstimme. Schließlich sind unsere Stimmbänder Luft-getriebene Oszillatoren, die sich zur Erzeugung von Tönen sehr schnell öffnen und schließen – wie ein Luftballon, den du quietschen lässt. Um z. B. ein mittleres C zu singen, müssen sich Deine Stimmbänder 256 Mal in der Sekunde öffnen und schließen. Ganz unten, unterhalb deiner Bruststimme hörst Du dann jede einzelne dieser Verschlussphasen Deiner Stimmbänder als eine Art Knistern oder Knarren. Wie wenn Du etwas in der Pfanne brätst.
Bei den meisten Stimmen bleibt das Knistern oder Knarren unregelmäßig, so dass wir es gar nicht als Ton hören, und es bleibt ohne Anbindung an die tiefe Bruststimme. Und doch gibt es Sängerinnen und Sänger, die dieses Knacken zu einer regelmäßigen, sehr tiefen Frequenz verstetigen und damit singen können.
Der Vocal Fry als Gesangsweise oder Ausdrucksmittel
In der Gospelmusik ist das Singen im Knarr-Register schon seit Langem im Gebrauch. Bass-Sänger von J. D. Sumner bis zu Tim Storms können mit ihrer Stimme in kaum noch hörbare Tiefen absteigen, und das mit einer exzellenten Anbindung an die Bruststimme. Hier sehen wir Tim Storms, der 2012 als tiefste Stimme der Welt ins Guinness-Buch der Rekorde aufgenommen wurde, mit dem Gospel-Song „Lonesome Road“:
Moderner ist der Einsatz des Vocal Fry als Schrei-Technik, etwa im Heavy Metal oder Death-Metal-Gesang. Dabei ist die Bezeichnung als „Scream“ oder „Growl“ etwas irreführend. Der Vocal Fry ist nicht laut, der Eindruck des „Schreiens“ entsteht erst mithilfe extremer elektronischer Verstärkung. Hier als Beispiel Arch Enemy mit dem Titel „The Eagle Flies Alone“:
Während hier fast durchgängig mit Vocal Fry gesungen wird, ist der Vocal Fry im Rock- und Popgesang eher als Ausdrucksmittel gebräuchlich. Britney Spears und viele andere Stars nutzen den Vocal Fry beim Einschleifen der Töne, wenn sie eine Gesangsphrase beginnen. Der Gesang gewinnt so eine intimere Qualität, kann sexuelles Verlangen, Leidenschaft oder auch Verzweiflung ausdrücken.
In der Musik ist der Vocal Fry ein kreatives Ausdrucksmittel. Das „Mixtape“ von Chance the Rapper ist hierfür ein weiteres Beispiel. Vocal Fry kommuniziert Emotionen und wird typischerweise vor allem im Pop verwendet, und zwar mehr von Frauen als von Männern. Ich habe Britney bereits erwähnt, aber höre auch mal rein in Sias „Breathe Me“:
Tipps und Hinweise
In meinem Unterricht benutze ich den Vocal Fry vor allem zum Ausbau des tiefen Brustregisters. Ich fange immer mit dem Vokal A an. Bei diesem Vokal stehen die Stimmbänder unter niedriger Spannung und die Übung fällt dadurch leichter. Ich lasse die Schüler einatmen, den Bauch entspannen, Mundwinkel hängen. Dann spiele ich einen Ton. Ich sage: „Denke ein bisschen an Gähnen und gehe in den Fry. Stelle Dir den Vokal A dabei vor. Atme gut aus. Jetzt gehe vorsichtig aus dem Fry in den Ton. Forme mit Deinem Mund ein Lächeln und ziehe Dein Gaumensegel hoch. Jetzt stütze den Ton.“ Ich spiele meistens die Tonfolge Grundton, Terz und Quinte. Damit gehe ich dann immer tiefer.
Probiere das Singen mit Vocal Fry gerne mal aus. Das Gute daran: Der Einsatz des Vocal Fry bleibt harmlos für Deine Stimme. Das Knarren stellt sich nur ein, wenn Deine Stimmbänder maximal entspannt sind und der Luftdruck von unten gering.
Deshalb eignet sich der Vocal Fry auch zum Entspannen Deiner Stimmbänder nach dem Singen: Wenn Dein Stimmapparat noch angespannt ist nach einer anspruchsvollen Gesangssession, hilft Gähnen und Knarren, die Muskelspannung Deiner Stimmlippen wieder zu verringern und die Erholungsphase einzuleiten. Ein Cool Down mit Vocal-Fry-Übungen von wenigen Sekunden verkürzt sogar die Erholungszeit für Deine Stimme. So fühlst Du Dich am nächsten Tag stimmlich frischer und leistungsfähiger als sonst.
Hilfreich für den Vocal Fry ist eine gute Atemtechnik. Wenn Du gute Übungen suchst, um Deine Atem- und Gesangstechnik zu verbessern, schau gerne bei meinen Online-Gesangskursen rein!