Wenn die Stimme sich überschlägt: Was hilft?

Bernadette & Friends7. Juli 2025
Bild zum Blog: Wenn die Stimme sich überschlägt.

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Für viele Gesangstalente ist das ein Albtraum: Mitten in einer kraftvollen, hohen Gesangsphrase bricht die Stimme – überschlägt sich in einen kläglichen, dünnen Kopfstimmton. Es ist ein Problem, mit dem eher Männer als Frauen zu kämpfen haben. Oft kennen sie schon die Stellen, an denen das passiert, sie werden zu ihren „Angststellen“ beim Singen.

Bei den Stars und Profis sieht es meist so souverän und leicht aus, wenn sie hohe Töne singen. Kraftvoll in hoher Lage singen, heißt das nicht einfach: mit Kraft singen, powern? Ja und Nein. Stimmliches Powern ist ein anspruchsvoller muskulärer Balanceakt, an dem Mundraum, Kehle, Atem, ja der ganze Körper beteiligt ist.

Wenn sich die Stimme überschlägt, bricht diese Balance an irgendeiner Stelle zusammen. Noch mehr „powern“ ist dann der falsche Reflex – mit Gewalt die hohen Töne herauszupressen, verfestigt nur die stimmlichen Bruchstellen. In diesem Blog-Artikel fragen wir uns: Wie entstehen diese Brüche? Wo können wir ansetzen, um die Stimme zu stabilisieren? Und welche Übungen helfen uns dabei?

Deine Belting-Stimme

Um dem Problem auf die Spur zu kommen, müssen wir zuerst verstehen, was beim Singen hoher Töne mit voller Stimme, dem sogenannten Belten, körperlich-anatomisch geschieht. Nehmen wir an, eine erfahrene Sängerin oder ein Sänger „beltet“ einen Ton in hoher Stimmlage. Könnten wir ihr oder ihm dabei direkt in den Hals schauen, würden wir Folgendes sehen:

Erstens: Der innere Muskel der Stimmbänder ist angespannt, die Stimmlippen schwingen auf voller Breite. Daher kommt der volle, bruststimmartige Ton des Gesangs, seine Rufstimmqualität. Hier siehst Du es im Bild, rot eingefärbt:

Zeichnung: Belting oder bruststimmiger Mix

Wie Du auch in der Zeichnung siehst, ist der Kehlkopf dabei zweitens etwas nach vorne-unten gekippt, mithilfe äußerer Kehlkopfmuskeln. Auf diese Weise werden die Stimmbänder in die Länge gezogen, damit der Ton nicht in der Bruststimmlage bleibt, sondern über die Mittellage hinaus in die Höhe aufsteigen kann.

Stimmphysiologisch gesehen, ist der Belt-Ton also eine Balance zwischen inneren und äußeren Kehlkopfmuskeln, und zwar eine genau austarierte Balance. Ist Dein innerer Stimmmuskel zu schwach, um in hoher Lage der Dehnung Deiner Stimmbänder standzuhalten, bricht die Vollschwingung Deiner Stimmlippen ab: Sie schwingen nur noch am inneren Rand.

Zeichnung: Randschwingung

Das hörst Du als stimmlichen Bruch. Dein voller Ton schlägt um in die Kopfstimme, wie bei einem unfreiwilligen Jodeln. Ein peinlicher stimmlicher Kontrollverlust. Falls Dir das auch manchmal passiert, ist die gute Nachricht: Mit den richtigen Übungen kannst Du lernen, in hoher Lage Deine Stimme zu stabilisieren.

Zum Üben:

Der Belt-Ton ist Deine Rufstimme, aber kein lautes Brüllen. Der Trick ist, nach oben hin ein klein wenig Kraft aus Deiner Bruststimme herauszunehmen, gerade genug, um Deine Stimmbänder in die hohe Lage zu dehnen – und dabei den „bruststimmigen“, vollen Klang Deiner Stimme zu behalten. So kommst Du hoch in Deine Rufstimme fürs Belten (oben im Bild „bruststimmiger Mix“ genannt). Mach es am besten mit dieser Übung:

  • Fang in einer angenehmen höheren Lage an, die Rufstimme zu üben: Rufe ein nach oben gezogenes (und wieder abfallendes), freudiges „Yeah“ mit einem offenen „ä“, oder ein „Wow“ mit einem offenen „o“ (wie in „Sonne“), nur so laut wie beim Rufen über die Straße.
  • Dann ruf nochmal, aber halte den oberen Ton einen Moment lang und steig in langsamen Tonschritten ab, zum Beispiel eine Quinte abwärts auf den Tonstufen 5-4-3-2-1: „Yea _ _ _ _“ oder „Wo _ _ _ _“. Geh danach einen Halbtonschritt höher und wiederhole das Ganze, so lange, wie Dein Rufstimmton stabil bleibt und nicht in die dünne Kopfstimme überflippt.

Deine Stütze

Überflippen kann Deine Stimme in hoher Lage auch, wenn der Luftdruck Deiner Atemstütze nicht zum Energielevel Deiner Stimmbänder passt.

Probier es selbst einmal aus, mit einer Hilfsübung. Was Du beim Singen zum Schwingen bringst, sind Deine „Stimmlippen“, so genannt, weil sie an die Lippen des Mundes erinnern. Blubber nun einmal mit Deinen Lippen, ohne Ton. Zuerst mit minimalem Luftstrom, gerade genug, um Deine Lippen überhaupt zu einem gleichmäßigen Blubbern zu bringen. Das entspricht der Schwingung Deiner Stimmlippen am inneren Rand, Deiner Kopfstimme.

Nun press Deine Lippen etwas mehr zusammen beim Blubbern. So wird das Blubbern lauter, aber Du merkst auch, dass Du mehr Luftdruck dafür brauchst. Singen mit voller Stimme in hoher Lage ist wie dieses druckvolle Blubbern. Die hohe muskuläre Spannung Deiner Stimmlippen braucht einen höheren, gleichmäßigen Luftdruck von unten. Das ist der dritte Faktor.

Zeichnung: Luftdruck bei Vollschwingung

Aber Vorsicht, auch das ist ein Balanceakt. Zu viel Luftdruck von unten crasht Deine Stimme. Beim Singen in hoher Lage brauchst Du viel weniger Luft und Luftdruck als beispielsweise für körperlich anstrengende Arbeit. Worauf es ankommt, ist vor allem Deine Stützmuskulatur. Sie sorgt dafür, dass Dein Gesang von einem gleich bleibenden, mäßig starken Luftdruck getragen wird.

Lässt die Muskelspannung Deiner Stütze nur geringfügig nach, wird der Luftstrom, auf dem Du singst, instabil oder bricht zu früh ab. Die Folge: Deine Stimme schwankt und springt in einen energieärmeren Schwingungsmodus über. Du ahnst schon, was das heißt: Sie überschlägt sich in die dünnere Kopfstimme.

Zum Üben:

  • Stell Dich vor einen großen Spiegel und nimm eine aufrechte Körperhaltung ein – stell Dir vor, Du bist eine Marionette am Faden. Dann atme kurz und geräuschlos ein, wie vor dem überraschten Ausruf: „Oh mein Gott!“ Entspanne dabei Deine Bauchmuskulatur. Dann starte Deinen gestützten, gleichmäßigen Ausatemstrom mit einem lang gezogenen „fff“, zuerst stimmlos, dann mit einem stimmhaften „www“ (oder mit einem stimmlosen, dann stimmhaften „sss“).
  • Spüre mit Deinen Händen, wie Deine Bauchwand dabei sehr langsam nach innen geht, Deine seitliche Rumpfmuskulatur aber durch ein leichtes Stretching die Einatmungsweite Richtung außen so lange wie möglich beibehält. Zur Kontrolle nimm gern mal eine Kerze vor den Mund: Die Flamme zeigt Dir, wie gleichmäßig Du den Luftdruck dosierst.

Deine Artikulation

Häufig wird übersehen, dass auch die Artikulation einen Bruch hervorrufen kann. Gesungener Text in hoher Lage verlangt der Zunge viel Geschicklichkeit ab. Sie muss Vokale und Konsonanten gut in den Luftstrom einbetten. Mit jedem stimmlosen „k“, „t“ oder „p“ unterbrichst Du beim Singen mit Zunge oder Lippen kurzzeitig den Luftstrom – und setzt ihn dann mit einer kleinen Luftexplosion fort. Im Englischen heißen diese Konsonanten deshalb treffend „plosives“.

Viele Sänger artikulieren so punktgenau und verbunden, dass die „plosives“ den Gesangsfluss nicht stören. Andere neigen bei ihrer Artikulation zu harten Konsonanten – statt sie in den Luftstrom einzubetten, hacken sie mit druckvollen „k“, „t“, „p“s in den Luftstrom hinein. Gerade deutschsprachige Hobbysänger singen ihre Songlyrics oft mit diesen harten Konsonanten. Was in der Sprechstimmlage gutgeht, kann beim hohen Singen die beschriebene, anspruchsvolle muskuläre Balance zerstören: Die hoch gespannten Stimmbänder halten dem plötzlichen, explosiven Luftdruck nicht mehr stand, und der Ton reißt aus.

Zum Üben:

  • Such Dir eine der heiklen, hohen Gesangsphrasen heraus, wo sich Deine Stimme öfter überschlägt. Sing die Phrase vorsichtshalber ein paar Töne tiefer, und: Lass die Konsonanten weg. Aus „shake it off“ zum Beispiel wird eine reine Vokalfolge, „äi – e – o“. Du gehst in Deine Beltstimme, wie sonst auch, singst die Vokale aber in einer verbundenen Linie, legato.
  • Dann binde die Konsonanten wieder ein, aber anders als sonst: Du singst weiter legato und tippst bei dem „k“ und „t“ nur minimal mit Deiner Zunge den Gaumen an. Übertreib ein bisschen, indem Du die Konsonanten noch weicher machst. Dein „k“ klingt fast wie ein „g“, Dein „t“ wie „d“: „shage-id-of“. Nun singst Du mit kraftvoller Rufstimme, aber sanften Konsonanten.
  • Dann nimm die übertriebene Weichheit wieder etwas heraus, behalte aber die punktgenaue, minimale Artikulation bei, die Deinen Luftstrom nur antippt, und nicht mehr zerhackt. Wenn Du die Tonlage ohne Stimmüberschläge gemeistert hast, geh schrittweise höher, bis Du wieder in Deiner Originaltonhöhe angekommen bist.

Fazit

Mit Power singen in hoher Stimmlage macht einen riesen Spaß. Damit der Spaß von Dauer ist und Dich zum Erfolg führt, brauchst Du eine gute Gesangstechnik. Besonders für die „heiklen Stellen“ oben, am besten bevor sie zu Angststellen werden. (1) Belting-Übungen für Deinen richtigen bruststimmigen „Mix“ in hoher Lage, (2) Stützübungen für den Luftstrom, auf dem Du singst, und (3) eine punktgenaue, kraftsparende Artikulation: Das wird Dir helfen, Deinen Gesang gegen stimmliche Bruchstellen abzusichern.

Allein zu Hause üben ohne den fachkundigen Blick von außen ist jedoch ein Risiko. Gerade beim Üben hoher Stellen können sich Fehler einschleichen, die Deine Stimme schädigen. Geh damit lieber zu einem erfahrenen Gesangslehrer oder einer Lehrerin für Populargesang. Mit professioneller Unterstützung stehen die Chancen gut, dass die Angststellen bald vergessen sind. Und Du hast auf Dauer Spaß am kraftvollen Singen.

Übungen für den Aufbau Deiner Stimme findest Du in meinen Onlinekursen. Schau gern in mein Kursangebot rein: https://singasong-behappy.de/online-gesangsunterricht/

Sing A Song – Be Happy

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