Vokale: Wie wir einen Ton zum Klingen bringen

Bernadette & Friends31. August 2023
Person mit gelben T-Shirt hinter organgenem Hintergrund singt Vokal A

Jeder gehaltene Ton ist ein gesungener Vokal. Den Vokalen und ihrem Klang kommt beim Singen eine viel größere Bedeutung zu als beim Sprechen. Einen Vokal voller Strahlkraft zu singen, ist für viele Gesangsanfänger jedoch schwerer als gedacht.

Als Sänger stehen wir vor der Aufgabe, für jeden Vokal die bestmögliche Resonanz bzw. den bestmöglichen Klang zu erzeugen. In diesem Blog-Artikel geht es um die Frage, wie wir das machen und was uns dabei helfen kann.

Könnte man die Stimmbänder ganz ohne alles zum Schwingen bringen, wäre ihr Klang wenig eindrucksvoll. Sie hätten einen summenden Klang, dem Quaken einer Ente ähnlich. Aber dieses Summen enthält das gesamte Klangspektrum, das wir zum Sprechen und Singen brauchen: Es ist reich an Obertönen.

Unser Vokaltrakt: Wie die Vokale entstehen

Unterscheidbare Vokale entstehen erst durch den Raum, in dem die Stimmbänder schwingen. Das ist der Raum oberhalb des Kehlkopfs, bis zum Mund- und Nasenraum, anatomisch „Vokaltrakt“ genannt. Er filtert und verstärkt den Klang der Stimmbänder.

Wann immer die Obertöne der Stimmbänder mit dem Vokaltrakt in eine gemeinsame Schwingung geraten, wird der Klang verstärkt: Das ist die „Resonanz“, die wir beim Singen haben wollen. Dabei können wir selbst bestimmen, in welchen Oberton-Bereichen diese Resonanz erzeugt wird. Diese verstärkten Oberton-Bereiche, das sind die Vokale: A – E – I – O – U.

Zunge: den Klang der Vokale finden

Wir bilden die Vokale, indem wir mit der Zunge, dem weichen Gaumen, den Lippen und dem Kiefer den Raum unseres Mundes verändern. Die Zunge ist unser Hauptwerkzeug für die Erzeugung der Vokale. Je nachdem, wo sich unsere Zunge im Mundraum anhebt, erzeugen wir unterschiedliche Vokale.

Skizze Zungenstellung Vokale A,E,I,O,U

Nicht alle Vokale, die Du singst, haben auf Anhieb die gleiche Strahlkraft – Dein „A“ oder „O“ klingt vielleicht dumpfer als ein „I“ oder „E“, die weiter vorne im Mundraum gebildet werden. Das könnte daran liegen, dass Du beim Singen von „A“ oder „O“ Deine Zunge nach hinten ziehst. Dabei drückt Deine Zungenwurzel nach unten und verdeckt den Klangraum zum Kehlkopf. Das mindert den Vokalklang enorm. Hier siehst Du es im Bild:

Skizze Vokal "A"

Achte deshalb darauf, dass Deine Zungenspitze beim Singen der Vokale immer sanft an Deinen unteren Schneidezähnen anliegt – von „I“ über „E“ und „A“ bis zu den im hinteren Mundraum gebildeten Vokalen „U“ und „O“. Singst Du in sehr hoher Lage, kannst Du Deine Zunge sogar noch weiter über die unteren Schneidezähne nach vorne bringen, bis Deine Zungenspitze Deine untere Lippe von innen berührt. Das gibt Deinem Ton mehr Klang in der Höhe und Dir selbst ein freieres Gefühl in der Kehle.

Der Klangabfall bei dem mittig gebildeten Vokal „A“ und den hinten gebildeten Vokalen „O“ oder „U“ verführt viele Gesangsanfänger dazu, lauter zu werden. Aber mit Lautstärke fehlenden Klang wettzumachen, ist keine gute Idee. Bevor Du beginnst, beachte deshalb folgende Grundregel: Zähne auseinander! Das gilt sowohl für die offenen Vokale „A“ und „E“ als auch für die eher geschlossenen Vokale „O“, „U“ und „I“.

Mindestens ein kleiner Finger breitmuss Platz sein für jeden Vokal. Ohne die Mundöffnung einen Finger breit entsteht Enge im Kehlraum und der Ton klingt dumpf und abgeschnitten. In höherer Stimmlage solltest Du deinen Mund sogar noch weiter öffnen.

Sing einmal alle Vokale (mit Übergangsvokalen) durch und achte ganz bewusst auf ihren unterschiedlichen Klang. Die Reihenfolge von vorne nach hinten ist: „I“ (wie „Igel“), offenes „I“ (wie „Gitter“), „E“ (wie „Efeu“), „Ä“ (wie „Hände“), „A“ (wie „Ahorn“), offenes „O“ (wie „Sonne“), „O“ (wie „Hose“), offenes „U“ (wie „Mutter“), „U“ (wie „bluten“).

Gaumensegel: Resonanz, Nasenflügel-Test und Wangen heben

Wie voll und resonant Deine Vokale klingen, hängt nicht nur von Deiner Zunge ab. Dein Gaumensegel sollte auch daran auch beteiligt sein, und zwar aktiver als Du vielleicht denkst.

Stell Dich zum Spaß vor einen Spiegel, öffne weit Deinen Mund und leuchte mit einer Taschenlampe hinein: Was Du oben siehst, ist Dein weicher Gaumen mit dem „Zäpfchen“ (der Uvula). Das ist Dein Gaumensegel. Im Alltag ziehst Du Dein Gaumensegel hoch, wenn Du gähnst. Es ist der bewegliche Teil Deines Gaumens, der auch an der Bildung der Konsonanten „K“ und „G“ beteiligt ist.

Bei allen Vokalen und Umlauten außer dem „I“ und dem „E“ haben wir zudem die Möglichkeit, die Resonanz zusätzlich zu verstärken, indem wir unser Gaumensegel hochziehen. Wenn Dein Gaumensegel hingegen entspannt ist und nach unten hängt, ist der Raum zu Deiner Nase geöffnet. Singst Du mit geöffnetem Nasenraum, klingen Deine Töne genäselt.

Dieses Näseln hat nichts mit der Verstärkung der Nasalität zu tun, die man als „Twang“ bezeichnet. Der Twang ist eine Verengung im Kehlkopfraum, die dem gesungenen Ton eine zusätzliche Schärfe bzw. Nasalität verleiht. Sowohl das hochgezogene Gaumensegel als auch der Twang erhöhen die Tragfähigkeit der gesungenen Vokale.

Im Rock- und Popgesang, auch im Jazz oder Musiktheater hören wir häufiger eine Tonqualität mit Twang – als Effekt, Ausdrucksmittel, manchmal sogar als bevorzugte Klangfärbung. Auch wenn wir dadurch die Nasalität erhöhen, sollten wir das Gaumensegel, soweit möglich, nach oben ziehen. Lassen wir das Gaumensegel beim Singen hängen, klingen die Töne dünner, sie sind weniger resonant. Lies dazu bitte auch unseren Blogartikel zum Thema Twang

Möchtest Du Deinen Vokalen mehr Resonanz und Wärme geben, ist das Motto daher: Sing Deine Vokale so, dass Du Dein Gaumensegel anhebst und den Nasenraum verschließt. So öffnest Du auch mehr Deinen Mundraum, der die Vokale voll zum Klingen bringt. Hier siehst Du den Unterschied:

Skizze Gaumensegel

Das Heben des weichen Gaumens ist von entscheidender Bedeutung, um beim Singen die volle Klangfülle der Vokale zur Geltung zu bringen. Meistens machen wir das ganz von selbst, sobald wir Vokale singen, ohne darauf zu achten. Wenn Du aber ganz sicher sein möchtest, dann mache bei Deinen Vokal-Übungen den Nasenflügel-Test. Der Test ist ein Klassiker in der Popular-Gesangstechnik. Mach es beim ersten Mal am besten so:

  1. Sing einen nasalen Vokal, wie das französische „Non“. Während Du den nasal geöffneten Vokal hältst, verschließe Deine Nasenflügel mit Daumen und Zeigefinger. Mach das mehrmals, während Du den Ton hältst – Nasenlöcher zudrücken, öffnen, zudrücken …
    Der Klangunterschied, den Du dabei hörst, zeigt, dass Dein Gaumensegel hängt, Dein Ton geht durch den Mund- und Nasenraum gleichzeitig.
  2. Dann sing einen nicht-nasalen Vokal, gehe dazu vom „N“ oder „Ng“ (wie in „Sing“) in ein „I“. Beim Übergang in den Vokal sollte Deine Zungenspitze wieder an den unteren Schneidezähnen zum Liegen kommen. Während Du den Vokal „I“ hältst, verschließe wieder Deine Nasenflügel mit Daumen und Zeigefinger.
    Hörst Du keinen Unterschied in der Tonqualität deines „I“, dann kannst Du sicher sein: Dein Gaumensegel ist oben und hat den Zugang zum Nasenraum geschlossen. Dein „I“ ist nicht genäselt, sondern kann mit voller Resonanz zum Tragen kommen. Verändert sich der Klang, ist Dein Nasenraum (ganz oder teilweise) geöffnet, Dein Gaumensegel hängt.
  3. Wiederhole den Test mit allen Vokalen, von „Ng-i“ über „Ng-e“, „Ng-a“, „Ng-o“ bis „Ng-u“. Beim Lüpfen Deiner Nasenflügel während des Vokals sollte kein Klangunterschied zu hören sein.

Viele Sängerinnen und Sänger haben eine ausgeprägte Fähigkeit entwickelt, Weite in ihrem Mundraum und Vokaltrakt zu schaffen, indem sie das Gaumensegel aktiv anheben. Zusätzlich ziehen sie es dabei noch in die Breite. Sie gehen in ein Lächeln, bei dem die Wangen angehoben werden, während die untere Mundpartie entspannt bleibt. Das schafft zusätzlich Raum und trägt zu dem hellen, strahlenden Vokalklang bei, den wir vor allem im Pop- und Soulgesang hören. Probier es selbst:

  • Bei den offenen Vokalen, vor allem in hoher Stimmlage, hilft es, wenn Du Dir schon beim Einatmen vorstellst, Du wolltest lächelnd in einen leckeren, großen Apfel beißen. Dadurch zieht sich Dein Gaumensegel schon vor dem Ton nach oben und weitet sich. – Merke Dir bei der Gelegenheit: Den Stimmapparat stellt man schon im Moment der Einatmung ein. Das geschieht während des kurzen Zwerchfell-Impulses, mit dem wir Luft schöpfen für die kommende Gesangsphrase.
  • Auch bei den geschlossenen Vokalen können wir das Gaumensegel hochziehen. Versuche mal, mit geschlossenem Mund zu gähnen – ungefähr so fühlt es sich an. Am weitesten nach oben ziehen kannst Du Dein Gaumensegel bei dem geschlossenen Vokal „U“

Lippen: rund oder breit?

Zum Singen klangvoller Vokale müssen Zunge und Gaumensegel mit den Lippen zusammenwirken. Beim Singen unterscheiden wir zwischen offenen Vokalen wie „E“, „Ä“, „A“ (zu denen auch das offene „Ö“ wie in „Können“ und das offene „O“ wie in „Sonne“ gehören) und geschlossenen Vokalen wie dem „I“, „O“, „U“ (auch das geschlossene „Ö“ wie in „Lösen“ und „Ü“ wie in „Güte“).

Bei den hinteren, geschlossenen Vokalen „O“ und „U“ runden wir unsere Lippen, stülpen sie nach vorne und erweitern damit den Resonanzraum von Mund und Rachen. Dadurch bekommen die Vokale einen wärmeren, aber auch dunkleren Klang. Im klassischen Gesang wird dieser dunkle Klang noch durch ein Angähnen der Töne bzw. Herunterziehen des Kehlkopfes verstärkt. Wie im klassischen Gesang häufig zu sehen ist, können wir diese eher vertikale Mundöffnung auch auf die anderen Vokale, etwa „I“, „E“ oder „A“ übertragen.

Im Populargesang wollen wir diese Dunkelfärbung eher vermeiden. Stattdessen gehen wir in die „Breitenspannung“: Für einen möglichst brillanten, hellen Klang – gerade bei den offenen Vokalen – gehen wir in ein Lächeln bzw. heben unsere Wangen leicht an. Bei textlastigen Songs in hohem Tempo dringt die Stimme so noch besser durch und die Lyrics bleiben gut verständlich.

Vorsicht: Bitte nicht so breit den Mund öffnen, dass im Hals- und Nackenbereich Spannung entsteht. Denk an etwas Angenehmes, wie das Beißen in einen großen Apfel, und lächle, mit angehobenem Gaumensegel und einem leichten Anheben der Wangen, wie oben beschrieben. So bringst Du mit lächelndem Gesicht den strahlenden Klang in Deinen Gesang, den Du Dir wünschst.

Gute Übungen für einen tragfähigen Stimmklang findest Du in meinen Online-Gesangskursen, unter:
https://singasong-behappy.de/online-gesangsunterricht/

Sing A Song – Be Happy

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