Konsonanten: Zunge, Luftstrom & Artikulation

Bernadette & Friends30. März 2023
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Ein wichtiger Schwerpunkt im Gesangsunterricht ist der Vokalklang. Wir beschäftigen uns intensiv mit der Frage: Wie können wir unseren Mundraum so verändern, dass wir je nach Vokal die bestmögliche Resonanz erzeugen?

Oft wird dabei unterschätzt, wie wichtig es ist, auch die Muskulatur zu trainieren, die für die Bildung von Konsonanten zuständig ist. Während die Resonanz der Vokale den Klang der Stimme bestimmt, dienen die Konsonanten der Deutlichkeit und Verständlichkeit. So schön unsere Stimme klingt – es sind die Konsonanten, die unsere stimmlichen Laute gegeneinander abgrenzen und zu bedeutungsvollen Worten machen.

Beim Üben von Vokalen lernst Du, einen gleichmäßigen Luftstrom beizubehalten und muskulär abzusichern (zu „stützen“). Aber dann kommt in einem Song, den Du singen möchtest, plötzlich so ein Zungenbrecher wie: „We can’t go on together“. Was passiert mit unserem Luftstrom, wenn Konsonanten dazukommen? Worauf sollten wir dabei achten, und gibt es hilfreiche Konsonanten-Übungen?

Die Konsonanten im Mundraum

Singst Du das Wort „can’t“, passiert überraschend viel in Deinem Mund. Zuerst blockiert Deine Zunge mit ihrer Platzierung oben am weichen Gaumen kurz den Luftstrom – sie ist dabei, das „k“ zu bilden, einen stimmlosen Konsonanten. Mit einer kleinen Luft-Explosion, dem hörbaren „k“, setzt Dein Luftstrom dann wieder ein, auf dem Vokal „ä“. Und wird dann in schneller Folge wieder gedrosselt und gestoppt: wenn Deine Zunge vom „n“ zum stimmlosen „t“ übergeht. In einer Seitenansicht siehst Du hier die Stellen im Mundraum:

Zeichnung von Gaumensegel und Zunge im Profil

„Singing is extended speech“, lautet ein geflügeltes Wort in der Popular-Gesangstechnik. Je schneller ein Song ist, desto näher kommen wir beim Singen dem Sprechen. Wir haben dann keine Zeit, die Vokale lange auszusingen, und müssen darauf achten, im Timing zu bleiben. Oft hilft es, sich vor dem Singen schneller Songs die Aktivität der Lippen, der Zunge und des Gaumensegels einmal bewusst zu machen.

Hier haben wir eine Übersicht für Dich gemacht, an welchen Stellen im Mundraum Lippen und Zunge die wichtigsten Konsonanten erzeugen. Nur das englisch gesprochene „r“ findest Du in der Übersicht nicht, weil das längsseitige Einrollen der Zunge in der seitlichen Ansicht schwer abzubilden ist.

Zeichnung einer Übersicht des Mundraumes bei der Erzeugung von Konsonanten

Ruhelage der Zunge & unnötige Zungenspannung

Die Zunge ist das Hauptwerkzeug unserer Artikulation. Gewöhnlich liegt sie entspannt da, wie ein schlafendes Tier, sanft angelehnt an die unteren Schneidezähne. Das ist ihre Ruhelage, die sogenannte „neutrale Position“. Sie ist Ausgangspunkt für alle Vokale und Konsonanten.

Prüfe mal mit einem kleinen Test in zwei Schritten, ob Deine Zunge entspannt ist:

  • Setz Dich vor einen Spiegel, öffne Deinen Mund und lass Deine Zunge an den unteren Schneidezähnen ruhen, so wie wenn Du vor Dich hin döst. Sieht Deine Zunge sanft gerundet und weich aus, wie ein Kissen, unbeweglich? Schön! Falls sie flach anliegt, an den Seiten angespannt ist oder sich bewegt, dann hast Du unnötige Muskelspannung in der Zunge.
  • Behalte die Position bei, dann stimme in Sprechstimmlage ein „ha“ an und halte den Ton. Bleibt Deine Zunge regungslos in derselben entspannten Lage an den unteren Schneidezähnen, ist alles gut. Falls Du „etwas tun musst“, um den Ton zu halten, ist das schon zu viel. Zunge, Kiefer und Kehle sollten sich nicht bewegen oder anspannen.

Falls Deine Zunge bei der Übung ein komisches Eigenleben entwickelt, mach sie locker. Ein Klassiker zum Lockern ist, die Zunge vor den Schneidezähnen im Kreis zu rollen, einige Male nach rechts, einige Male nach links. Das ermüdet die Zungenmuskulatur und löst unnötige Spannung.

Beim Singen oder Sprechen hebt sich unsere Zunge aus der Ruhelage. Je nachdem, wo wir unsere Zunge heben, erzeugen wir unterschiedliche Vokale. Von vorne nach hinten sind das die Vokale: i – e – a – o – u. Überprüfe Deine Zungenspannung auch hier einmal:

Zeichnung eines Mundraumes um Zungenspannung zu verdeutlichen
  • Setze einen Daumen unter Dein Kinn, an der Zungenbasis, und drücke sanft nach oben. Beim Schlucken merkst Du, wie Deine Zungenmuskeln anspannen und gegen Deinen Daumen drücken. Diese Spannung der Schluckmuskulatur wollen wir beim Singen so weit wie möglich vermeiden.
  • Nun gehe alle Vokale in entspannter Sprechstimmlage durch, über die Hauptvokale: a – e – o – u – i, mit Übergangsvokalen. Finde für jeden Vokal eine Zungenposition, in der Du keinen Druck nach unten auf den Daumen spürst. Erst die letzten zwei Vokale „u“ und „i“ erfordern eine leichte Anspannung der Zunge nach unten.

Gegeneinander beweglich: Zunge und Kiefer

Lockerungs- und Beweglichkeitsübungen für die Zunge sind wichtig, weil die Muskeln der Zunge und des Kiefers mit dem Kehlkopf verbunden sind durch ihren gemeinsamen Ursprung am Zungenbein.

Zeichnung der Verbindung zwischen Kiefer, Zunge und Kehlkopf

Aufgrund dieser engen muskulären Verbindung können sich Verspannungen an einem Ort, zum Beispiel in der Zunge oder im Kiefer, direkt auf andere Orte, wie die Kehle, übertragen. Um das zu vermeiden, müssen Sängerinnen und Sänger lernen, die Bewegung der Zunge von der Bewegung des Kiefers zu trennen. Unter den vielen Übungen, die es dazu gibt, möchten wir Dir diese empfehlen:

Zeichnung eines Mundraumes zur Veranschaullichung
  • Öffne Deinen Mund einen Finger breit, denk an etwas Angenehmes und geh in ein mildes Lächeln. Leg einen Finger vorne auf Dein Kinn, ohne Druck auszuüben.
  • Sing in schnellem Sprechtempo das Wort „Glockida“, in bequemer Stimmlage auf den Tonstufen 1-2-3-2-1 (vom Grundton bis zur Terz und wieder herunter), also fünf Mal, ohne dass Dein Finger sich bewegt: Deine Zunge übernimmt die ganze Artikulationsarbeit, während Dein Kiefer unbewegt bleibt.
  • Wiederhole das „Glockida“ mit denselben Tonstufen höher und tiefer. Geh so weit nach oben und unten, wie Du kommst, ohne zu „beißen“, enger zu werden oder sonstwie Dein Kinn zu bewegen.

Eingebettet: Konsonanten im Luftstrom

Denken wir noch einmal an den Anfang: Wir singen auf einem Luftstrom. Er fließt wie das Wasser in einem Flussbett. Nicht immer mit gleich bleibender Stärke – die Konsonanten sind wie Verengungen im Flussbett (stimmhafte Konsonanten wie „m“, „w“, „d“ oder „g“) oder wie Felsblöcke, an denen sich das Wasser bricht (stimmlose wie „p“, „f“, „t“ oder „k“). Trotz aller Verengungen und Stromschnellen fließt das Wasser weiter, mit sanfter Macht.

Sieh Deine Konsonanten beim Singen auch so: eingebettet in Deinen Luftstrom. Mit ihrer Hilfe gliederst Du die Luft – statt Luft zu schieben oder die Luft mit Gewalt nach vorne zu schleudern. Die Gefahr dabei: Mit allzu harten, gewaltsamen Konsonanten baust Du beim Singen zu viel Luftdruck auf. Gerade in hohen Stimmlagen kommt es dann schnell zu muskulären Einschnürungen im Kehlkopfbereich, Deine Stimme wird gequetscht oder bricht Dir sogar weg.

Trainiere die Muskulatur Deiner Zunge in ihrem Zusammenspiel mit Gaumensegel, Lippen und Zähnen daher so, dass ihre Bewegungen zielgenau, kraftsparend und flexibel werden. Ein „t“ oder „k“ tippt nur kurz den Gaumen an – statt dort die Luft zu stauen und nach vorne explodieren zu lassen. Ein „m“ oder „b“ bleibt geräumig – statt dabei zu beißen. Immer kehrt die Zunge in ihre Ruhelage an den unteren Schneidezähnen zurück.

Die oben vorgeschlagenen Übungen helfen Dir dabei, zu einer muskulär gut koordinierten Artikulation zu finden, die immer in die Luft eingebettet bleibt. Gerade bei schnellen Songs mit viel Text wird Dir das sehr helfen. Dann stolperst Du nicht mehr über Konsonanten, sondern die Konsonanten gliedern Deinen Gesangsfluss. Sie rhythmisieren Deine gesungenen Worte, und sie helfen sogar dabei, Die Resonanz Deiner Vokale ganz nach vorne zu bringen.

Beim Proben

Zum Schluss hör noch Amy Winehouse mit dem Titel „Valery“. Der Song ist ein schönes Beispiel für einen rhythmisch betonten Gesang, bei dem die Konsonanten eine besondere Rolle spielen. Auch eignet sich der Gesang von Winehouse in diesem Studio-Mitschnitt gut zur Einübung des „Twangs“, einem Sound, der unserer Stimme mehr Schärfe und Tragfähigkeit verleiht.

Gute Übungen für Konsonant-Vokal-Verbindungen und für einen tragfähigen Stimmklang findest Du in meinen Online-Gesangskursen, unter: https://singasong-behappy.de/online-gesangsunterricht/

Sing A Song – Be Happy

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