Die Welt ist voll mit unentdeckten Talenten. Das sind Menschen, die trotz Talent kein förderliches Umfeld für ihre musikalische Begabung hatten oder früh entmutigt wurden. Viele von ihnen haben schon früh von ihren Eltern Sätze zu hören bekommen wie: „Du hast das gewisse Etwas oder Du hast es nicht“, „Da muss man schon mit fünf Jahren anfangen“ oder, was allzu oft am Ende steht: „Musik ist eine brotlose Kunst“. Es sind Sätze, die sich tief in ihre Überzeugungen eingegraben haben, reflexhaft sagen sie später von sich: „Ich bin unmusikalisch“, oder „meine Stimme klingt furchtbar“.
Gesangstalent: Glaubenssätze und Erwartungen
Viele der verhinderten Sängerinnen und Sänger ahnen später, dass ihnen etwas verloren gegangen ist. Die früh verinnerlichten Glaubenssätze machen unglücklich, und: Sie halten einer ernsthaften Prüfung nicht stand. In diesem Blog-Beitrag geht es um das Thema „Talent“, manchmal unterschätzt oder beiseite gewischt, oft aber auch ins Maßlose überhöht. „Du hast es, oder Du hast es nicht“, heißt es. Entweder – Oder, alles oder nichts, und: alles entscheidend, wenn es um den Erfolg als Sängerin oder Sänger geht. Stimmt das so?
Fragen wir uns als erstes, woran man eigentlich festmacht, ob jemand Talent zum Singen hat – bei einem Mädchen z. B., das einen Song vorsingt. Dann sind es Dinge wie: ein schöner Stimmklang, der Emotionen weckt. Oder sie trifft die Töne gut und findet immer wieder zum Anfangston zurück. Vielleicht hat sie einen größeren Stimmumfang als andere. Oder von Anfang an ein gutes Gefühl für Rhythmus und „groovt“ beim Singen.
Prominente Gegenbeispiele
Doch diese Erwartungen an ein Gesangstalent bleiben vage, und sie sind vor allem kein Grund, Dich entmutigen zu lassen, wenn Du sie nicht von Anfang an erfüllst. Es gibt sogar prominente Gegenbeispiele: Ed Sheeran, einer der erfolgreichsten Singer-Songwriter unserer Zeit, hat am Anfang alles andere als tonrein gesungen, wie er in einem Interview vorführt:
Lauryn Hill lag ebenfalls einige Male mit ihrem Ton daneben und wurde sogar ausgebuht, als sie im Alter von 13 Jahren im Apollo Theater auftrat:
Was, wenn der junge Ed oder die junge Lauryn aufgehört hätten, zu singen, weil man ihnen sagte: „Du hast es eben nicht drauf, Du triffst ja nicht mal die Töne!“
Ein berührender Sound in der Stimme oder Sinn für Rhythmus waren sicher wichtige Voraussetzungen, die beide mitbrachten. Aber von diesen mitgebrachten, natürlichen Begabungen ist es ein weiter Weg hin zur stimmlichen Magie, die wir von den Stars kennen. Um diesen Weg zu verstehen, hilft uns das Konzept von „Talent“ nicht mehr weiter. Das sehen wir am wohl prominentesten Star des 20. Jahrhunderts, der bis heute als Paradebeispiel eines „Naturtalents“ gilt. Elvis Presley war schon 18 Jahre alt, als er seine allererste Aufnahme machte, und klang damals so:
Obwohl wir die Stimme schon wiedererkennen, ist es von hier noch ein sehr weiter Weg zu den Welthits des späteren King of Rock ‚n‘ Roll. Stellen wir uns vor, die Sekretärin, die damals die Aufnahme machte, hätte hinterher zu Elvis gesagt: „Ich sehe hier kein Geld“, so wie es ein Singer-Songwriter in dem Film „Inside Llewyn Davis“ von dem Clubbesitzer zu hören bekommt, dem er gerade seinen Song vorgespielt hat. Dabei hätte es gestimmt. Es brauchte noch unzählige Proben mit den Studiomusikern, die über Monate nirgendwohin führten und beinahe alle zum Aufgeben bewogen hätten, bis das Label mit Elvis eine erste Single herausbringen konnte.
Harte Arbeit versus Talent
So „natürlich“ es sich auch anhört – was wir von den Stars auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs hören, ist nicht einfach naturgegeben, sondern das Ergebnis harter Arbeit. Zwar werden manche mit mehr Talent geboren als andere. Dennoch kann auch jemand ohne eine auffällige, von Anfang an hörbare Begabung seine gesanglichen Fähigkeiten hoch entwickeln und erfolgreich werden. Und dabei vielleicht sogar stimmliche „Naturtalente“ übertreffen, die weniger an sich arbeiten, um besser zu werden. Von einem amerikanischen Basketball-Spieler ist der Satz überliefert: „Hard work beats talent when talent fails to work hard.“ Das gilt auch für das Singen.
Talent kann zu einem schnellen Durchbruch verhelfen. Fehlt Dir diese Erfahrung eines schnellen Starts, lass Dich nicht entmutigen. Im Gegenteil: Statt aufzugeben, lass Dich davon motivieren, an Deinen gesanglichen Fähigkeiten zu arbeiten und gut zu werden. Die gute Nachricht ist: Jeder kann Singen lernen. Hast Du eine Leidenschaft fürs Singen, brauchst Du nur Deinen Atem, eine gesunde Stimme sowie die Bereitschaft, zu üben und Deine eigenen Erfahrungen mit dem Singen zu machen.
Offenheit und Entwicklung versus Stillstand und Talent
In der Psychologie nennt man das eine Einstellung, die auf Veränderung und Wachstum ausgelegt ist („growth mindset“). Wie Studien zeigen, führt eine Überhöhung des „Talents“ im Gegensatz dazu zum künstlerischen Stillstand (einem „fixed mindset“): Betonen Bezugspersonen schon früh eine natürliche Begabung des Kindes, neigt das Kind dazu, seine hochgelobte Fähigkeit nicht mehr weiterzuentwickeln. Es verlässt sich auf die Magie seiner Begabung, in die es keine Mühe mehr investieren muss – es gibt ja nichts hinzuzugewinnen oder zu verlieren. Und: Ohne sich den Mühen auszusetzen, Fehler zu machen, entwickelt es auch keine Strategien, mit Misserfolgen umzugehen. Auffällig viele derjenigen, die schon früh als „Wunderkinder“, „Genies“ oder „Naturtalente“ hochgelobt wurden, sind später umso tiefer gefallen.
Bleib also offen und bereit dafür, Deine Gesangsfähigkeiten zu entwickeln. Wächst Deine Stimme dank guter Stimmübungen und machst Du erste Erfahrungen mit dem Singen vor einem Publikum, dann stehen die Chancen gut, dass Du mehr gewinnst als Du am Anfang für möglich gehalten hättest. Beim Singen kannst Du Dich und Deine Gefühle ausdrücken wie sonst kaum – die großen wie die kleinen, die ganze Bandbreite. Singen bringt Glück und hilft sogar aus Krisen heraus. Es lohnt sich, den ersten Schritt zu machen und anzufangen.
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Sing a Song – Be Happy!