Das Intro erklingt, der Einsatz für die Stimme kommt … jetzt! Nicht nur für Menschen mit Lampenfieber ist das ein schwieriger Moment. Der erste Ton eröffnet den Song, er muss sitzen. Gerade Gesangsanfängern fällt das schwer, und das ist kein Wunder. Der Tonansatz ganz am Anfang des gesungenen Wortes erfordert stimmliche Koordination. Der Sänger muss seinen Atemfluss mit dem Schließen der Stimmbänder zusammenbringen, und das im genau richtigen Moment. In der Popularmusik gibt es unterschiedliche Arten, wie man das machen kann.
Bei einem harten oder „glottalen“ Tonansatz baust du von unten Luftdruck auf, bevor du den Ton startest. Deine Stimmbänder sind fest zusammengepresst, und wenn du die Luft fließen lässt, entsteht ein harter Ton, oft mit einer Art Plop-Geräusch.
- Denk hier an das berühmte „O-oh“ des Rainman aus dem gleichnamigen Film. Es ist der Laut, der nach einer Schrecksekunde entsteht: das geht nicht gut. Ein anderes Beispiel ist das „iiih!“, das dir entfährt, wenn du dich ekelst. Einen glottalen Ansatz wählen Sängerinnen oder Sänger, wenn sie z. B. das erste Wort besonders betonen wollen: „I want …“
In Balladen hören wir häufig einen gehauchten oder luftigen Tonansatz. Dabei startest du mit einem hörbaren Lufthauch, bevor du deine Stimmbänder schließt. Auf dem Luftstrom lässt du den Ton sanft anschwellen. Dein Publikum hört den nachfolgenden Vokal, z. B. ein „a“, wie ein „ha“.
- Probier es mal aus, wie eine Eule zu klingen: „hu-huu“. Ein anderes Beispiel ist das sarkastisch langgezogene „ha, ha, ha“. Halte eine Hand vor deinen Mund und fühle den Luftstrom, bevor der Ton beginnt. Dann ersetze den Vokal „u“ oder „a“ durch andere Vokale.
Am gebräuchlichsten ist der balancierte oder gleichzeitige Tonansatz, der auch die Stimme am besten schont und bei Stimmübungen der Ansatz deiner Wahl sein sollte: Ton und Luftfluss starten gleichzeitig. Der Ton beginnt sanft und schwillt gemeinsam mit dem Luftstrom an – ohne Hauch, aber auch ohne harte oder knackende Geräusche.
- Denk hier z. B. an ein freudig überrascht anschwellendes „oh“. Zum Üben atme mit einem kurzen Impuls ein, wie vor dem oben erwähnten „o-oh“, halte die Stimmbänder dabei aber offen und intoniere ein „yes“. Dann lass das „y“ (im Deutschen das „j“) fort und starte den Ton mit „i“. Ebenso mit allen Vokalen.
Gleitest du mit deinem Ton von der Mittellage aus ganz nach unten, bis du nicht mehr tiefer kommst, hörst du schließlich nur noch ein tonloses Knarren oder Knacken. Das ist der „vocal fry“, vielen vertraut aus dem Film „The Shining“ (1980), wo das Kind immer wieder das Wort „redrum“ wiederholt. Als Schrei-Technik („scream“) wird der vocal fry im Death-Metal-Gesang angewendet, wichtig zu wissen: der Eindruck des „Schreiens“ entsteht aufgrund extremer elektronischer Verstärkung – der vocal fry ist nicht laut. Im Rock- und Pop-Genre ist der vocal fry als Tonansatz gebräuchlich beim Einschleifen der Töne. So macht es Britney Spears hier in ihrem Titel „Baby One More Time“:
Neben dem vocal fry gibt es noch einen weiteren Tonansatz, der häufig als Effekt genutzt wird: der verzerrte, „raue“ Tonansatz, der vor allem im Rock-, Gospel- und Soulgesang zu hören ist. Das wohl prominenteste Beispiel dafür ist Joe Cocker. Wie Sänger einen rauen oder knurrenden Sound erzeugen, kann stimmphysiologisch sehr unterschiedlich sein – ein Schlackern des Gaumenzäpfchens oder eine Einengung des Kehlraums bei der Tongebung spielen dabei eine Rolle. Es gibt Hinweise darauf, dass Gesangsstudenten mit größeren Mandeln im Rachenraum leichter raue Klänge erzeugen können als Menschen, denen die Mandeln entfernt wurden.
Du siehst, es gibt unterschiedliche Arten, zum Ton anzusetzen. Ob hart, hauchig, mit vocal fry oder rau: keiner dieser Tonansätze ist „falsch“. Sie erweitern deine Wahlmöglichkeiten, je nachdem, was zu dir passt und welche Emotion du in deinem Song ausdrücken möchtest. Unser Tipp: Probier sie mal aus, behalte aber im Auge, dass harte, druckvolle Tonansätze wie auch gehauchte Töne die Stimme schneller ermüden lassen und raue Ansätze heiser machen können. Um deine Stimme aufzubauen und zu kräftigen, orientiere dich vor allem an dem balancierten Tonansatz. Wenn Luft und Ton gleichzeitig zusammenkommen und deine Kehle offen bleibt, wird dein Ton auch offen und frei klingen. Und nicht vergessen: Voraussetzung für jeden stabilen Ton ist eine gute Stütze.
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