Mit Charisma singen

Bernadette & Friends28. Mai 2023

Charisma ist „die Kunst, andere zu verzaubern“. So heißt es in einem geflügelten Wort. Für die Sprechstimme haben Experimente gezeigt: Eine ausgeprägte Sprachmelodie wirkt auf andere Menschen überzeugender als Durchschnittsstimmen – und verführerischer.

Die Wirkung der Sprachmelodie wird im gesungenen Wort zur Gesangskunst. Das Charisma der Gesangsstimme beruht jedoch nicht nur auf ihrer Fähigkeit, melodisch weit auszugreifen. Was sind die Merkmale einer charismatischen Gesangsstimme? Und kann man das auch lernen: charismatisch zu singen?

Die Kunst, mit Gesang ein Publikum zu „verzaubern“: Merkmale

Oft wird „Charisma“ als eine besondere Gabe gesehen, eine angeborene Fähigkeit, die jemand besitzt oder eben nicht besitzt. Er ist ein „geborener“ oder „begnadeter“ Charismatiker, hört man manchmal. Es führt aber in die Irre, wenn wir das wörtlich nehmen.

Die schöne Formulierung von der „Kunst, andere zu verzaubern“ weist schon auf das Entscheidende hin. Es ist das, was mit den Zuhörern oder dem Publikum geschieht. Ob angeboren oder erworben: Eine charismatische Stimme bannt die Aufmerksamkeit ihres Publikums, sie zieht das Publikum quasi magisch zu sich hin, lässt es sich zeitweilig verlieren, weckt Begeisterung.

Charisma ist nichts Feststehendes. Die Fähigkeit, ein Publikum zu bannen, ist situationsabhängig und daher auch veränderlich – und beeinflussbar. Für angehende Sängerinnen und Sänger, denen der Kontakt zum Publikum schwerfällt, ist das eine gute Nachricht. Gelingt es Dir nicht beim ersten Mal, mit Deinem Gesang als Charismatikerin wahrgenommen zu werden, musst Du das nicht als naturgegeben hinnehmen.

Fällt Dir dieses Charisma nicht zu, kannst Du es im Laufe der Zeit durch Übung entwickeln. Innerhalb gewisser Grenzen, die sich aber zu erkunden lohnt.

Führen wir uns ein paar Merkmale charismatischen Gesangs vor Augen, die immer wieder genannt werden. Dazu gehören:

  • eine kraftvolle Projektion: von der ersten Textzeile bis zum letzten Ton wird der Song melodisch-rhythmisch stimmig ausgesungen;
  • Ausdruck: Laut-Leise-Wechsel, die Stimmfärbung von gehaucht bis „twangy“, sogar Brüche in der Stimmführung, drücken überzeugend Text und Stimmung des Songs aus;
  • Kontrolle: Obwohl der Gesang ganz im Song aufgeht, in Gefühl und Ausdruck, fällt er nie aus seiner künstlerischen Form heraus und verliert die Fassung, so frei die Song-Interpretation auch sein mag;
  • Bannkraft: die Fähigkeit, dem Publikum mit der Gesangsdarbietung ein außergewöhnliches Erlebnis zu verschaffen.

Du kannst es Dir schon denken, eine charismatische Gesangsstimme zu entwickeln, ist ein Ziel, für das es keine Anleitung gibt, nach dem Motto: So wird jeder Gesangsbegeisterte zum Charismatiker. Dennoch gibt es ein paar Dinge, an denen Du arbeiten kannst, um diesem Ziel näher zu kommen – jener verzaubernden Kombi aus sängerischen Fähigkeiten, Song-Interpretation, Stil und Bezug zum Publikum.

Können: gesangstechnische Fähigkeiten

Eine Voraussetzung, ohne die nichts geht, ist Gesangstechnik. Schon die Projektion der Song-Lyrics in eine gesungene Gesangsphrase, die das Publikum sofort in den Song hineinzieht, ist gesangstechnisch anspruchsvoll. Sie erfordert:

  • Atemtechnik und Stütze, um die gesungenen Worte bis zum Ende der Phrase ohne Wackler etc. auszusingen,
  • einen Tonansatz, der Text und Stimmung des Songs gut ausdrückt, sei es gehaucht, „twangy“, klar oder rau,
  • Tonreinheit, zu der auch bewusst und stilsicher eingesetzte Abweichungen von der Tonmitte, eingeschleifte Töne und Ähnliches gehören,
  • nuancierte Abstufungen von leisen und lauteren Tönen, weniger und stärker betonen Textstücken.

Es fängt an mit der ersten Gesangsphrase. Zur fesselnden Darbietung eines ganzen Songs, von Anfang bis Ende, gehört aber noch viel mehr. Hinzu kommen ein gekonnter Umgang mit Wechseln zwischen Brust- und Kopfstimme, je nach Genre auch Stimmumfang oder die Fähigkeit, zu „belten“ (mit voller Stimme in hoher Lage zu singen).

Diese stimmtechnischen Fähigkeiten sind deshalb wichtig, weil Du sie brauchst, um Deine Stimme so zu modulieren, dass Du Emotionen ausdrücken und Dein Publikum berühren kannst. Es sind oft ungewohnte Stimmlagen, sehr feine Nuancen zwischen Laut und Leise oder geschickt eingesetzte Brüchigkeiten im Ton, die Zuhörern den Atem stocken lassen. Das erfordert ein hohes Maß an Kontrolle. Mit geeigneten Stimmübungen und vielen Schleifen von Feedback und Selbstkorrektur kannst Du das aber erlernen oder verbessern.

Sich zeigen: Persönlichkeit und Stil

Um einen charismatischen Gesang zu entwickeln, kommt es darauf an, beim Singen eine Verbindung zum Publikum herzustellen. Der kunstvollste Gesang verfehlt sein Ziel, wenn das Publikum sich von ihm nicht persönlich angesprochen fühlt. Diese Gefahr besteht vor allem dann, wenn eine Gesangsdarbietung wie ein Kunstgebilde wahrgenommen wird, das von der „Künstlerin“ selbst, der Sängerin, losgelöst bleibt. Wie eine Fatamorgana kann so eine Darbietung für einen Moment den Blick bannen, verliert sich dann aber schnell.

Bring Dich also selbst in Deinen Gesang ein, mit Deiner eigenen Persönlichkeit und Deinen Erfahrungen. Zeige Dich, je nach der Botschaft Deines Songs, mit Deinen Kämpfen, Sehnsüchten oder mit Deiner Lebenslust. Eine intensive Auseinandersetzung mit dem Text Deines Songs kann Dir bei der Vorbereitung helfen.

Erkunde auch verschiedene Genres und verschiedene Ausdruckstechniken, um Deinen eigenen Stil zu finden. Vielleicht stellst Du fest, dass bestimmte Gesangsstile oder Tonfärbungen besser zu Dir passen als andere – so wie manche ihre Töne gern mit dem „Vocal Fry“ (einem Knarren) einschleifen, andere gehaucht oder noch anders. Probiere viele verschiedene Ausdrucksmittel aus und nutze sie für Deinen Gesangsstil.

Beziehung zum Publikum & Bühnenpräsenz

„Charisma“ ist ein Beziehungsgeschehen zwischen Sänger und Publikum. Bei einem Live-Konzert ist es nie die Stimme allein, die vom Konzertpublikum als charismatisch empfunden wird. Sie ist charismatisch in Kombination mit dem Kontakt des Sängers zu seinem Publikum über Augenkontakt und Körpersprache.

Diese Verbindung zum Publikum herzustellen, Deine „Bühnenpräsenz“, ist ebenfalls etwas, woran Du arbeiten kannst. Hilfreiche Tipps dafür sind:

  • Wohlfühlen und Selbstvertrauen: auf der Grundlage einer guten Vorbereitung mit vielen Proben Sicherheit ausstrahlen und dem Publikum ein gutes Gefühl geben.
  • Aufmerksamkeit und Kommunikation: durch Körpersprache und Mimik auf das Publikum reagieren, zum Beispiel Augenkontakt suchen, zurücklächeln, humorvoll sein, Situationskomik nutzen, das Publikum anfeuern.
  • Bewegen und den Raum ausfüllen: Nicht nur den Standplatz vor dem Mikro nutzen, sondern das Mikro in die Hand nehmen und den ganzen Raum der Bühne für die Performance nutzen, etwa zu einzelnen Musikern stellen, auf eine Monitorbox setzen, auch mal an den Bühnenrand gehen zu einem anderen Teil des Publikums.
  • Bühnenoutfit: Kleidung und Accessoires wählen, die zum Musikstil passen, die Botschaft der Musik und die eigene Persönlichkeit zum Ausdruck bringen, mit Mut zu auffälligen Farben und Formen.

Fazit & Empfehlung

Was eine charismatische Gesangsstimme ausmacht, lässt sich nie restlos aufklären. Der „Zauber“, ihre Bannkraft, bleibt im Letzten ein Geheimnis. Dennoch kannst Du einiges dafür tun, um mit Deinem Gesang Dein Publikum zu verzaubern.

Während manche dafür schon früh mehr Begabung als andere mitbringen, kann jede und jeder daran arbeiten, das eigene stimmliche Charisma zu finden und zu entwickeln. Unsere Empfehlung für Dich ist, kurz und bündig:

Konzentriere Dich darauf, Deine Gesangstechnik, Deinen persönlichen Stil und Deine Bühnenpräsenz zu entwickeln. Mit Deiner Leidenschaft fürs Singen, dem Mut, Dich auszuprobieren, und der nötigen Disziplin beim Üben zu Hause, im Proberaum und Live kannst Du dann weit kommen. Und irgendwann, nach einem gelungenen Auftritt, heißt es: „Was für eine charismatische Stimme!“

Übungen für eine gute Gesangstechnik findest Du in meinen Online-Gesangskursen, unter: https://singasong-behappy.de/online-gesangsunterricht/

Sing A Song – Be Happy

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